Mittwoch, 10. Oktober 2012

Der Rheinsberger Rhin

Im Norden Brandenburgs gibt es einen kleinen, aussergewöhnlichen und anspruchsvollen Kleinfluss: Der Rheinsberger Rhin. Die Strecke, die wir fahren wollen, führt von Rheinsberg nach Zippelsförde und ist ca. 16 km lang.
J. und C. sind diesen Fluss bereits mit dem elterlichen Canadier gefahren. Es ist zwar schon zehn Jahre her aber die beiden schwärmen immer noch in höchsten Tönen davon. Klar also, dass dieser Fluss auf der "Unbedingt zu Erledigen"-Liste steht!

Mittags geht es Richtung Rheinsberg, unsere eigenen Boote im Gepäck. Nach einigem Suchen - der Innenstadtbaustelle sei Dank - finden wir die Einstiegsstelle. Auf einem Parkplatz vor einer Töpferei laden wir die Boote ab, C. baut ihr Schlauchkajak auf und alles wird durch ein offenes Drahttor neben dem Parkplatz über eine kleine Wiese zum Steg gebracht. Der Rhin hat hier bereits gut Strömung und wir sind ein wenig skeptisch, ob wir das Einsteigen unfallfrei hinkriegen.

Mit vereinten Kräften schaffen wir es in unsere Cockpits und es geht sofort los. An Kleingärten vorbei, durch dichtes Schilfgestrüpp hinein in den Wald. Obwohl es sonnig ist, schaffen es die Strahlen nur an einigen lichten Stellen durch das Blätterdach. Keine Menschenseele ist zu sehen, lediglich einige Pferde auf den angerenzenden Koppeln beobachten unsere Fahrt. Mitten im Wald fahren wir nochmal an einigen Wochenendgrundstücken vorbei. An einem hängt sogar ein "Zu Verkaufen"-Schild. Kurz geben wir uns der Illusion hin, Besitzer eines schnuckeligen Flussgrundstücks zu sein. Allerdings sehen die Bungalows so aus, als hätten sie ihre besten Zeiten schon hinter sich und ausserdem ist es wirklich sehr abgelegen und im Sommer wimmelt es dort garantiert nur so von Mücken... Lassen wir das besser...



Das Flüsschen macht immer wieder scharfe Biegungen, teils um 180°, es hängen ständig Äste über dem Wasser und wenn hier ein Baum über den Fluß stürzt, bleibt er eben so liegen. Das sieht alles toll aus, macht die Strecke aber technisch sehr anspruchsvoll und ist wirklich nur für Kanuten zu empfehlen, die auch ohne Steueranlage ihr Kajak sicher beherrschen.

Die Sonne kommt ab und zu mal durch

Die Strömung trägt uns wieder aus dem Wald heraus, um eine Kurve herum und plötzlich höre ich einen spitzen Schrei: J.'s Paddel hat sich in der Uferbefestigung verklemmt, eine schnelle Drehung und schon steht sie bis zum Bauch im eiskalten Wasser! Haha - Boot getauft!
Wohlweislich hat jede von uns einmal komplett Wechselklamotten dabei. Nachdem J. und Boot wieder trockengelegt wurden, nutzen wir den Zwangsstop und futtern unseren Proviant. Ich bleibe dabei sicherheitshalber in meinem Boot sitzen - ich bin vor nicht allzulanger Zeit bei einem Einsteigemanöver in Entengrütze und stinkenden Schlamm gefallen, das muss ich heute nicht haben, auch wenn das Wasser klar ist.

Nach etwa der Hälfte der Strecke müssen wir einmal umtragen. Eine Brücke versperrt den Weg. Die Durchfahrt durch die Röhre ist verboten und es ist vermutlich auch keine kluge Idee, es zu versuchen. Rechts vor der Brücke befindet sich ein kleiner Steg, dort landen wir an und tragen die Kajaks über die Strasse zur Einsatzstelle. Wer möchte, kann die Tour auch verkürzen und hier einsteigen.

Der Fluss direkt hinter der Umtragestelle

Nach dem Umtragen geht es nur noch durch den Wald. Der Fluss scheint jetzt ein richtiges Gefälle zu haben, neben uns ragen regelrechte Steilwände auf. Leider nimmt auch die Anzahl der Baumhindernisse zu. Wir müssen immer wieder ganz langsam auf die Bäume zufahren und uns zur höchsten Stelle hangeln, unter der wir samt Boot durchtauchen können.
Leider birgt dieses Verfahren auch einen gravierenden Nachteil: Durch den Druck des Wassers kommen die Boote sehr schnell quer und dann wird es schwierig, 4,30m Länge mit der Hüfte wieder gerade zu stellen.

Eines der vielen Baumhindernisse

Wir haben bereits etliche Baumhindernisse "unter"wunden, da versperrt ein besonders tiefliegendes Exemplar den Weg. J. versucht es als erste, ich kann jedoch mein Boot kaum bremsen und drücke sie aus Versehen immer weiter unter den Baum. Ich ernte böse Blicke, ein erneuter Sturz ins Wasser kann jedoch vermieden werden. Während ich noch über den entsetzten Gesichtsausdruck lachen muss, drückt sich auch C. unter dem Baum durch. Jetzt bin ich an der Reihe - und muss feststellen, dass ich mich in eine ziemlich blöde Situation manövriert habe. Mein Boot steht parallel zum Baum, das Heck hängt halb im Ufer, zurückpaddeln kann ich auch nicht mehr, die Strömung ist an dieser Stelle einfach zu stark. Ich versuche also auch, mich an die höchste Stelle des Baumes zu hangeln aber keine Chance... Das Kajak ist schon auf der anderen Seite es Baums nur leider passt mein Oberkörper an dieser Stelle unmöglich auch noch mit durch. Ich umklammere mit letzten Kräften den Baum, versuche erfolglos, das Boot irgendwie wieder heraus zu bekommen, das Kajak neigt sich immer mehr und... Zack! Bootstaufe!

J. und C. retten Paddel und Kajak, während ich mich wieder aufrappel und wie ein begossener Pudel im Fluss stehe. Trotz des Schreckmoments müssen wir uns erstmal alle schlapp lachen. Also wieder den Packsack mit den Wechselklamotten rausgekramt und ans Ufer geklettert. Nach einigen Verrenkungen sitzen C. (die sich auch umziehen musste, da beim Paddel retten ihre Hose total nass geworden ist) und ich wieder im Boot. Bei dieser Gelegenheit ist uns auch der einzige Mensch der Tour begegnet: Ein Jäger ging am Ufer vorbei, starrte uns schweigend an und verschwand, so schnell er gekommen war, wieder im Unterholz. Schräge Begegnung...


Wir paddeln weiter, die Tour zieht sich, es wird immer dunkler und kühler, die Temperaturen sind inzwischen auf 11°C gesunken. Mir ist mittlerweile auch gut kalt, meine Haare sind nass, ich habe nur ein dünnes Poloshirt und eine klamme Jeans an. Innerlich verfluche ich den blöden Fluss, der kein Ende zu nehmen scheint. Jedes neue Baumhinderniss lässt meine Laune weiter sinken. Doch irgendwann tauchen die ersten Häuser zwischen den Bäumen auf, wir hören Strassenlärm und endlich, endlich sehen wir unsere Abholer am Endpunkt der Fahrt am Ufer stehen. Mit letzter Kraft hieven wir die Mangos aufs Autodach, stellen die Heizung auf volle Leistung und fahren mit dem Gedanken an eine heisse Dusche Richtung Ferienwohnung.

Fazit: Ein besondere Fluss, der ca. 80% der Strecke durch Wald führt. Teilweise sehr schmal, flotte Strömung, viele Hindernisse, ganz viel Natur, kaum Menschen. Anspruchsvoll zu fahren, am besten in einer kleinen Gruppe, um sich gegenseitig helfen zu können, falls man kentert, stecken bleibt o.ä. Ab 19 Uhr herrscht ein Befahrungsverbot, also sollte man früh genug mit der Tour beginnen.

Länge und Dauer: ca. 16 km/5-6h

Einstieg in Rheinsberg

Verlauf des Rhins

Ausstieg in Zippelsförde

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